Roland Scheck

Quartierabwertung statt Quartieraufwertung

Die Stadt Zürich beabsichtigt im Rahmen des Strassenbauprojekts Birmensdorferstrasse die Schmiede Wiedikon für den motorisierten Individualverkehr und den Veloverkehr zu sperren und stellt dieses Vorhaben unter den Deckmantel einer «Quartieraufwertung».

Das vorliegende Konzept einer Quartieraufwertung rund um die Schmiede Wiedikon funktioniert in dieser Form nicht und stösst bei der betroffenen Quartierbevölkerung auf massiven Widerstand. Die belastenden Konsequenzen und negativen Auswirkungen auf das umgebende Quartier werden ignoriert. Die Schliessung der direkten Verkehrsachse auf der Höhe von Gasthof Falken und Kreisgebäude führt einerseits zur unhaltbaren Belastung von Quartierstrassen. Andererseits entsteht gefährlicher Mischverkehr im Bereich der Haltestelle (Anlieferung und Gästeparkplätze Gasthof Falken, Polizei- Einstellgarage, Rettungsfahrzeuge wie Feuerwehr und Sanität). Zude  wird der zurzeit einzige Begegnungsort zwischen Löwenbrunnen und Ecke Birmensdorferstrasse-Zurlindenstrasse verkleinert und entgrünt.
Die Neugestaltung wertet Quartierstrassen ab und führt zu unerträglichen Staus.

Mehr Lärm und Luftverschmutzung
Durch die geplante Verkehrsführung wird sich der umgeleitete motorisierte Individualverkehr in der Zurlindenstrasse ab Birmensdorferstrasse Richtung Zweierstrasse verdoppeln bis verdreifachen. Dazu kommt noch, dass der Verkehr stadtauswärts neu über eine weitere Lichtsignalanlage bei der Kreuzung Zurlinden-/Zweierstrasse geführt wird und dies in einer Distanz von 200 Metern. Es ist voraussehbar, dass sich mit der neuen Verkehrsführung und sich dem daraus ergebenden Verkehrsstau ein Teil des Individualverkehrs als Schleichverkehr in Nebenstrassen oder Wohnzonen mit Tempo 30 ergiessen wird, z.B. in die Stationsstrasse oder in die Kalkbreitestrasse.
Die zu erwartende Überbelastung des Verkehrssystems rund um die Schmiede Wiedikon führt für die betroffenen Anwohner (Wohnungsmieter, Wohnungseigentümer und Altersheim) zu zusätzlichen Belastungen durch Lärm und Luftverschmutzung, die massiv oberhalb des Erträglichen liegen. Die im Projekt eingeplanten Lärmschutzmassnahmen bestätigen diese Aussage. Man stelle sich die Situation in einer heissen Sommernacht bei geschlossenen – von der Stadt finanzierten – Schallschutzfenstern an der Zurlinden- und der Zweierstrasse vor.

Überdimensionierte Haltestelle
Die Schmiede Wiedikon wird in Zukunft von zusätzlichen Postautokursen in beiden Richtungen durchfahren und verwandelt sich so zu einer Hyper-ÖVSpur, welche die Idee der Verkehrsberuhigung ad absurdum führt. Berechnungen ergeben, dass auf der umgestalteten Haltestelle ein vermehrter Fluss von Trams, VBZ-Bussen und Postautokursen zu erwarten ist: ungefähr 47 öffentliche Verkehrsmittel pro Stunde. Wer unter diesen Umständen von Verkehrsberuhigung spricht, verschweigt wichtige Tatsachen.
Die Schmiede Wiedikon wird aus diesen Gründen auch nach der vorgesehenen Umgestaltung – entgegen den Behauptungen der Stadt Zürich – weder ein Platz zum Flanieren sein noch Zentrumswirkung haben. Vielmehr wird sie zu einer überdimensionierten Haltestelle zwischen Bahnhof Wiedikon und Goldbrunnenplatz, wo der öffentliche Verkehr auf einer wichtigen innerstädtischen Strasse das Zentrum Wiedikons durchquert. Die städtebauliche Situation verhindert, dass ein Platzgefühl aufkommen kann. Auch mit den vorgesehenen Möblierungsmassnahmen entsteht noch kein Platz. Damit schafft man höchstens eine lächerliche Karikatur auf einem Restgrundstück zwischen Amtsgebäude und Gasthof Falken.
Der Objektkredit wird als Quartieraufwertung verkauft und gelangt am 13. Juni 2010 zur Volksabstimmung. In Wahrheit führt die Neugestaltung für die betroffenen Anwohner zur Quartierabwertung. Aus diesen Gründen ist der Objektkredit abzulehnen.

Artikel erschienen am 07.05.2010 im «Der Zürcher Bote»