Roland Scheck

Asylkarriere

Im amerikanischen Traum kann man vom Tellerwäscher zum Millionär werden. Bei uns läuft das etwas bescheidener und langsamer. Man kann aber auch in der Schweiz schnell zu Geld kommen, vor allem wenn man Asylbewerber ist.

Ein Asylbewerber aus Afrika – nennen wir ihn Hasan – wohnt auf der Etage L der Asylunterkunft im Personalhaus C des Triemli-Spitals. Hasan begann seine Karriere gewissermassen als Tellerwäscher. Er trägt einen orangefarbenen Arbeitsanzug mit der Aufschrift «Entsorgung und Recycling» und erzählt, dass er dadurch monatlich 1000 Franken erhält, während die anderen Mitbewohner nur 400 Franken bekommen. Und so begann sein rasanter Aufstieg. Eine Woche nach seinem Einzug in das Personalhaus C besass Lernfahrer Hasan bereits ein Yamaha Motorrad XJ900. Zwei Monate später leistete sich Hasan ein Upgrade. Fortan fuhr er eine Suzuki-Maschine, welche vom AOZ-Nachwächter auf eine Preisklasse von 20‘000 Franken geschätzt wurde. Hasan‘s Aufstieg nahm seinen Lauf. Er beendete sein Lernfahrer-Dasein auf zwei Rädern und schuf sich nach weiteren drei Monaten einen grasgrünen Mazda an. Seither fährt er morgens auf vier Rädern los. Und als Asylsuchender kommt man auch in den Genuss von ganz besonderen Goodies. Hasan darf seinen Mazda ohne Parkkarte auf einem Parkplatz des Stadtspitals Triemli abstellen. Wenn das keine Karriere ist: nach fünf Monaten besitzt Hasan bereits sein drittes Fahrzeug.

Aber auch Hasan's Gspänli in der Asylunterkunft, die lediglich im monatlichen 400 Franken Status leben, verzeichnen bemerkenswerte soziale Aufstiege. Schon nach den ersten Wochen trugen sie neuwertige elektronische Gerätschaften wie Computer und Flachbildfernseher in ihre Wohnungen. Auch scheint für die Asylbewerber im Triemli-Personalhaus vom ersten Tag weg eine Handy-Tragpflicht verordnet worden zu sein.

Tragisch ist, dass die Betreuer der AOZ dies alles sehen und ganz genau wissen, was in den städtischen Asylunterkünften abgeht. Darauf angesprochen kam das Eingeständnis, dass sich die AOZ-Betreuer weder durchsetzen können noch dass sie von den Asylsuchenden überhaupt ernst genommen werden. Diese kennen ihre Sonderstellung im Schlaraffenland Schweiz. Ja, die AOZ-Betreuer fürchten sich gar vor den Asylsuchenden aufgrund ihrer «Unbeherrschtheiten».

Da sind wir doch froh zu hören, dass nicht alle Asylbewerber eine Blitzkarriere machen, wie sie Hasan gelang. Einige Bewohner der Triemli-Asylunterkunft sind gar ausgesprochene Pechvögel. Diese vom Pech verfolgten Asylsuchenden verlieren nämlich immer wieder ihre Veloschlüssel. Das zumindest ist ihre Erklärung, wenn sie mit einem Velo, das Hinterrad anhebend, zu Fuss nach Hause kommen.

Artikel erschienen am 08.02.2013 im «Der Zürcher Bote»