Roland Scheck

Wildhüter Wolff

Wenn sich auf einer Strasse mit durchschnittlich 12 300 Fahrzeugen pro Tag fünf Verkehrsunfälle in fünf Jahren mit insgesamt einer verletzten Person ereignen, spricht man normalerweise von einer ausserordentlich sicheren Strasse. Nicht aber der rot-grüne Stadtrat. Denn Polizeivorsteher Wolff nimmt diese Unfallstatistik zum Anlass, um die Birmensdorferstrasse zwischen Buchenrainweg und Parzellengrenze AR6019 von Tempo 80 auf Tempo 60 herunter zu signalisieren. «Aus Gründen der Verkehrssicherheit», wie es in der Ausschreibung im Tagblatt der Stadt Zürich vom 12. März 2014 heisst. Dabei haben die fünf Unfälle in den fünf Jahren nachweislich nichts mit dem Ausbaustandard der Strasse zu tun. Zwei Schleuderunfälle ereigneten sich infolge Unaufmerksamkeit und zwei weitere sind auf den Einfluss von Alkohol zurückzuführen. Und in einem Fall lief ein wildlebendes Tier über die Fahrbahn.

Fünf Selbstunfälle in fünf Jahren bei 12 300 Fahrzeugen pro Tag. Statistisch ziemlich irrelevant. Womit sich die Frage stellt, ob eine öffentliche Ausschreibung mit einer völlig falschen Begründung überhaupt zulässig ist. Wurde die Bevölkerung gar mutwillig getäuscht? Nie und nimmer geht es bei dieser Temporeduktion um die Verkehrssicherheit, sondern eher um das ideologische Ziel eines autofeindlichen Stadtrats, den Autoverkehr zu bekämpfen. Der Stadtrat will flächendeckende Temporeduktionen.

Offensichtlicher könnten die Beweggründe nicht sein. Trotzdem beharrt der Stadtrat auf seiner fadenscheinigen Geschichte. In seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SVP vermehrt der Stadtrat den einen realen Wildunfall einfach um weitere fiktive Unfälle: «Bei Wildunfällen ist mit einer sehr hohen Dunkelziffer zu rechnen, einerseits weil sie oft von den involvierten Verkehrsteilnehmenden nicht gemeldet werden und andererseits weil verletzte Tiere in vielen Fällen reflexartig in den Wald zurückspringen, um dort zu verenden.» Mit anderen Worten: Wildhüter Wolff lässt 12 300 Fahrzeuge pro Tag langsamer fahren, weil es aufgrund einer hypothetischen Mutmassung hypothetische Wildunfälle gegeben haben könnte.

Doch zurück zu den realen Unfällen. Alleine die Glattalbahn verzeichnet seit Betriebsbeginn 45 Unfälle. Würde bei der Glattalbahn derselbe Massstab angelegt wie bei der Birmensdorferstrasse, müsste die Glatttalbahn «aus Gründen der Verkehrssicherheit» nicht nur temporeduziert, sondern umgehend eingestellt werden. Aber eben, Linke messen bekanntlich mit zweierlei Ellen. Ereignen sich ganz viele Unfälle mit dem ÖV ist dies anscheinend weniger schlimm, als wenn sich ganz wenige Unfälle mit dem Auto ereignen. Nicht nur Menschen, auch Unfälle werden nach gut und schlecht unterschieden.

Artikel erschienen am 15.08.2014 im «Der Zürcher Bote»