Roland Scheck

Strafverfolgung und Strafvollzug im Kanton Zürich – Demographie, Planung und Logistik

DRINGLICHE ANFRAGE von Christian Hurter (SVP, Uetikon am See), Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht) und Roland Scheck (SVP, Zürich) vom 21.08.2017

Die Bevölkerung im Kanton Zürich (rund 1.5 Millionen; 30 %+ Ausländer) wächst weiter. Gemäss Prognoserechnung des Statistischen Amtes des Kantons Zürich vom Juni 2017 wird mit einem Bevölkerungswachstum von 340‘000 Personen (rund 23 %) bis ins Jahr 2040 gerechnet. Gemäss Polizeilicher Kriminalstatistik des Kantons Zürich 2016 ist die Gesamtzahl der Beschuldigten im StGB gegenüber dem Vorjahr um 4.6 % gestiegen (Ausländeranteil 52.5%). Insbesondere bei Delikten gegen Leib und Leben war mit 5375 Straftaten ein höherer Wert als im Vorjahr zu verzeichnen. Besonders bedenklich ist die markante Zunahme der Zahl der festgestellten jugendlichen Straftäter bei Delikten gegen Leib und Leben (+ 4.7%), bei Delikten gegen das Vermögen (+ 2.8 %), gegen die Freiheit (+ 6.4%) und gegen die sexuelle Integrität (+ 14.9%). Verstösse  gegen die Ausländergesetzgebung (AuG) sind gemäss Statistik stark von der Entwicklung internationaler Krisenherde beeinflusst. Die Delikte gegen das AuG stiegen im Jahr 2016 um 5.7 % gegenüber Vorjahr an; der Anteil Straftäter aus dem Asylbereich ist um 1.3 % auf 4.8 % angestiegen. Vor dem Hintergrund einer massgeblichen Verschlechterung der Lage in der Türkei,  einer sich abzeichnenden Verschlechterung der Lage auf dem Balkan, in Griechenland und  im Auffanglager Italien sowie den latenten Unruheherden Syrien, Irak und Libyen ist bei dieser Deliktskategorie mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. 

Derzeit wird das neue Polizei- und Justizzentrum (PJZ) gebaut - leider an verkehrstechnisch höchst ungünstiger Lage. Die Bezirksgefängnisse Andelfingen und Bülach sind geschlossen, Uster und Hinwil sind stillgelegt. Nun soll gemäss Absicht der Direktion der Justiz und des Innern (JI) und des ihr unterstellten Amts für Justizvollzug (JuV) in absehbarer Zukunft, und nach Um- und Ausbau des Vollzugszentrums Bachtel (RRB 5371 und 577. vom 21.6.2017), auch das Bezirksgefängnis Meilen geschlossen werden. Eine Neuorganisation der Staatsanwaltschaften (Projekt STR 2020) wird derzeit durch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (OSTA; ebenfalls der JI unterstellt) vorangetrieben. Während die Gerichtsorganisation im Kanton Zürich auf dem bewährten System der Bezirke aufgebaut ist, scheinen die der JI unterstellten JuV und OSTA, entgegen  der demographischen Entwicklung und den politischen Gegebenheiten in den Städten Zürich und Winterthur (Stichwort: StädteInitiative «umverkehR») und sich daraus abzeichnenden, noch grösseren Transportengpässen, eine Zentralisierung von Gefängnissen und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit voranzutreiben und bewährte Strukturen verändern zu wollen. Transportengpässe führen zu höherem Personalbedarf, längeren Prozessdauern und generell höheren Logistikkosten.

Mit RRB 680 vom 12. Juli 2017 hat der Regierungsrat die JI und die Baudirektion beauftragt, eine Standortstrategie zu erarbeiten, welche aufzeigt, wie der langfristige Bedarf an Plätzen  für den «Geschlossenen Vollzug» im Kanton Zürich sichergestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang bitten wir den Regierungsrat um die Beantwortung folgender  Fragen:
  1. Wurden oder werden Vernehmlassungen durch die JI bei den betroffenen Amtsstellen  (Gerichte, Kantonspolizei) im Zusammenhang mit den anstehenden Vorhaben PJZ, STR 2020 und Umbau/Erweiterung Vollzugszentrum Bachtel sowie der geplanten Schliessung des Bezirksgefängnisses Meilen eingeholt? Wenn ja, welche, und liegen schon Resultate vor? Wenn nein, warum nicht?
  2. Liegt eine strategische Gesamtplanung «Offener Strafvollzug» für das Zürcher Gefängniswesen vor? Mit welchem Zeithorizont? Wenn ja, wie sieht diese aus (welche Standorte, Kapazitäten/Anzahl Haft- und Gefängnisplätze etc.)?
  3. Plant die Direktion JI weitere Gefängnisschliessungen in den nächsten 10 Jahren? Wenn  ja, welche?
  4. Gibt es ein geltendes und wird im Rahmen der Erarbeitung der strategischen Gesamtplanung «Offener- und Geschlossener Strafvollzug» ein neues Transportkonzept  in Zusammenarbeit zwischen JuV und KAPO erarbeitet? Wie viele neue Stellen bedingen die mit  Inbetriebnahme des PJZ sowie aufgrund der geplanten Schliessung des Bezirksgefängnisses Meilen eintretenden längeren Transportzeiten? Sind genügend Zellen an den Standorten der Bezirksgerichte vorhanden, in welchen Beschuldigte während der Prozesspausen sicher untergebracht werden können?
  5. Besteht eine Notfallplanung für Ausnahmesituationen (Erdbeben und Atomvorfall/Plünderungen und Gewaltdelikte) sowie andere Ausnahmesituationen mit latent erhöhter Kriminalität?
  6. Unter jugendlichen Straftätern soll es derzeit im Kanton Zürich eine Handvoll Personen mit sehr hohem Gewaltpotenzial geben. Mittels welcher Massnahmen und bis wann stellt die Justizdirektion sicher, dass jugendliche Täter und Erwachsene vom Kaliber eines «Carlos» in einer für sie geeigneten Institution im Kanton, wie etwa dem derzeitigen Bezirksgefängnis Meilen, und nicht (auf deren Wohlwollen hin) in anderen Kantonen untergebracht werden können?
  7. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (Amtssitz in Winterthur und Zweigstelle Flughafen Zürich, zuständig für die Bezirke Andelfingen, Bülach, Dielsdorf und Winterthur) ist notorisch überlastet. Regelmässig muss eine grosse Anzahl von Fällen an andere Staatsanwaltschaften zur Bearbeitung übertragen werden. Ein vom Kantonsrat überwiesenes Postulat (KR-Nr. 35/2014) fordert, die Organisationsform der Staatsanwaltschaft des Kantons  Zürich so anzupassen, dass im Zürcher Unterland ein eigener Zuständigkeitsbereich  eingerichtet wird. Der Regierungsrat lehnt das Postulat mit der Begründung ab, «dass für eine gute Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei im Zürcher Unterland eine deckungs- gleiche Organisation von Staatsanwaltschaft und Regionalpolizei nicht notwendig ist.  Zudem brächte die Einrichtung einer neuen Allgemeinen Staatsanwaltschaft im Zürcher  Unterland keinen Effizienzgewinn für die Strafverfolgung. Der Aufbau hätte vielmehr  erhebliche Kosten, namentlich Investitionen in die Infrastruktur, zur Folge. Bei der Aufteilung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland in zwei selbstständige Amtsstellen gingen schliesslich Synergien zwischen Winterthur und der Zweigstelle Flughafen verloren bzw. müsste wohl der wichtige Standort am Flughafen aufgehoben werden» (Ende Zitat). Um  welche Synergien handelt es sich, welche gemäss Ansicht des Regierungsrates «verloren gingen» und aus welchen Gründen müsste der Standort der STA am Flughafen «aufgehoben» werden? Mittels welcher Massnahmen will die Justizdirektion die unhaltbaren Zustände bei der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland in den Griff bekommen? Wie ist  sichergestellt, dass in Zukunft trotz immer schwierigerer Verkehrssituation und Staus im  riesigen Einzugsgebiet der STA Winterthur/Unterland die Transportzeit von Gefangenen  sowie die Fahrt der STA zu und von Einsatzorten wieder auf ein erträgliches Mass zurückgeführt und damit ein derzeit bestehender, enormer Ressourcenverlust eliminiert werden kann?
KR-Nr. 205/2017